Wintertour 7 Weites Land
Natur, Historie, tolle Blicke, besondere Wege: Manche Strecken haben von
(fast) allem was. Die hier ist so eine.
Ihr seid unterwegs mit Dieter
Ganz allein darf´s wieder sein – spontan habe ich heute am frühen Nachmittag zu einen weiteren 30er- Runde aufgesattelt. Ich habe sie noch als sehr abwechslungsreich in Erinnerung und fahre sie daher noch einmal. Merinosocken habe ich mittlerweile, ein Paar gefütterte Schuhe auch und zu guter Letzt dünne Merinohandschuhe zum Unterziehen; eigentlich könnte ich auch zum Nordkap fahren.
Nun, die heutige Tour beginnt am Erkelenzer Markt und führt zunächst über die Kölner Straße zum Bahnhof. Etwas versteckt hinter den Busspuren gibt es eine Unterführung, die entgegen den Angaben von Komoot (siehe blauer Kasten) sehr wohl über eine Fahrradspur verfügt und mich unkompliziert zur Jülicher Straße in Richtung Bellinghoven bringt. Dort liegt nahezu mittig der wohl bekannteste Erkelenzer Dorfweiher „Die Maar“, Schauplatz der sommerlichen Vehikelrennen, wo selbstgebaute, muskelbetriebene und möglichst bootsunähnliche Wasserfahrzeuge zur Freude der Zuschauer den Weiher zu überqueren versuchen. Die dreißigste Auflage fand 2019 statt.
Weiter geht es durch Neu Immerath zum Nordrand des Wahnenbusch, einem kleinen Wäldchen, welches als Sehenswürdigkeit einige sehr schön restaurierte Flachsrösten bereithält. Tafeln zeigen anschaulich, wie in diesen Teichen Bündel aus Flachshalmen in die Teiche eingesetzt und fermentiert wurden um die eigentlichen Pflanzenfasern zur Weiterverarbeitung zu Leinen zu gewinnen. Dieser Fäulnisprozess stank zum Himmel, weshalb die Rösten (Rotten) in gebührendem Abstand zur Wohnbebauung angelegt wurden (Komoot, Wegepunkt 11). Mit Tenholt und Granterath geht es durch zwei weitere Ortsteile von Erkelenz, ehe ich Baal auf Hückelhovener Stadtgebiet erreiche. Nachdem ich auf die andere Seite der Bahnstrecke gewechselt bin und die örtliche Grundschule passiert habe, biege ich links in die Herder Straße ab und habe das Gefühl vor einer Skiflugschanze zu stehen. Leider ist mit Fliegen nichts, denn ich muss gut 200 Meter aufwärts, ehe ich erleichtert nach rechts abbiegen darf. Im Zickzack radle ich durch den Ort, überquere die Bundesstraße und erreiche die ehemalige Bahntrasse Linnich- Baal, die zum Radweg umgebaut wurde. Ich wende mich in Richtung Körrenzig und genieße die Fahrt über den beidseits mit Bäumen gesäumten Weg, den ich erst bei Rurich wieder verlasse. Im Ort liegt links der Malefinkstraße Schloss Rurich mit seinem malerischen Turm (Komoot WP 28). Es schließt sich der Ruricher Weg an: Ein etwa 1 Kilometer langer Streckenabschnitt entlang des Malefinkbachs, wo ein Blick auf die Landschaft nahebei und ringsum mit Schilfgürteln, Hecken, Wiesen und Obstbäumen wirklich lohnt. Ich quere die Bundesstraße ein zweites Mal und gelange ins Zentrum von Körrenzig. Hier befindet sich „Alt St. Peter“, erbaut im 10. Jahrhundert und im Jahre 2000 umfassend saniert. Heute finden dort kulturelle Veranstaltungen statt. An die wohlige Stimmung bei einem Klavierkonzert, das ich vor Jahren dort besuchte, erinnere ich mich immer noch gerne.
Ich nehme den Aufstieg aus dem Tal der Rur in Angriff. Langsam und stetig geht es rund 40 Meter aufwärts zum nächsten Zwischenziel Lövenich. Unterwegs mache ich Halt an einem meiner Lieblingsrastplätze, dem Wegstock „Drei Linden“ (Komoot, WP 34). Auf einem mit einem Bohlenzaun abgegrenzten dreieckigen Areal befinden sich ein steinerner Wegstock mit Sockel, eine Bank und zwei, nicht drei Linden. Eine davon ist derart krumm gewachsen, dass der nahezu horizontal zum Boden verlaufende, mächtige Stamm durch ein solides Stahlgerüst abgestützt werden muss. Ich schaue durch das Geäst beider Linden auf ein Windrad, welches sich ein paar Meter weiter erhebt. Es wirkt mächtig, gar bedrohlich, nicht zuletzt, weil in der Stille die knackenden Geräusche der Nabe und das Sausen des Rotors überdeutlich zu hören sind. Nach einer kurzen Pause wieder unterwegs, fasziniert mich der weite Blick auf das Weisweiler Kraftwerk, die Bergehalden oder die Houverather Windräder. Apropos Windräder: Zwischen knapp 30 dieser Anlagen hindurch fahre ich weiter nach Lövenich. Eingangs des Erkelenzer Ortsteils komme ich an der Lövenicher Hofkirche (Komoot, WP 37) vorbei. Der Blick über die Friedhofsmauer auf die Kirche ist einfach idyllisch. Von der Straßenseite her fügt sie sich dagegen unauffällig in die Häuserreihe ein. Das war auch so beabsichtigt. Im 17. Jahrhundert wurden protestantische Kirchen ohne Zugang von der Straße in Höfen gebaut, sie sollten ungesehen bleiben, da ihre Besucher bestenfalls geduldet waren.
Nun ist es nicht mehr weit zum Scherresbruch/Harberger Wald. Noch in 2020 fräste die im Bau befindliche und 215 Kilometer lange Erdgasfernleitung Zeelink (Aachen- Borken) eine breite Schneise in die Landschaft und machte diese Stelle für längere Zeit unpassierbar. Mittlerweile ist sie wieder stark überwuchert und insbesondere am Steilhang rechts kaum noch zu erahnen. Ja, die Gegend ist wellig und hügelig, aber auch ausgesprochen reizvoll. Einen solchen Hügel nehme ich jetzt unter die Räder. Der Mühlenweg führt mich zu den Anwesen „Haberger Hof“ und „Gut Haberg“, knapp 3 Kilometer bin ich wieder in Tenholt. Östlich des Gewerbegebiets GIPCO verläuft ein Naturweg entlang der Bahnstrecke, alternativ dazu kann man auch die Tenholter Straße zurück nach Erkelenz nehmen. Nun noch unter der Autobahn hindurch und zum Markt in Erkelenz sind es keine zehn Minuten mehr.
Wie schön es doch vor Corona war, sich nach einer Tour in eines der Cafe`s am Markt einen heißen Tee zu gönnen! Obwohl 2G- konform, traue ich mich letztlich doch nicht. Der Verlust schmerzt, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf!
Dieter Bonnie