Wintertour 5 Vorweihnachtlicher Wellenritt
Mit dem Pedelec verlieren viele Strecken ihren Schrecken. Auch heute wird es etwas wellig. Na und? Die 30-Kilometer- Runde um Birgelen nehmen wir zu dritt in Angriff.
Ihr seid unterwegs mit Dieter, HaPe und Benno
Gelegentlich schaffen wir das wenig Wahrscheinliche und finden eine Lücke in unseren Terminkalendern. Wir haben uns zu einer Rundfahrt zu dritt verabredet. Benno und ich wollen zwischen Myhl und Wassenberg auf HaPe warten um dann gemeinsam die Tour in Angriff zu nehmen. Es kommt anders. Als ich pünktlich am Treffpunkt ankomme, steht HaPe schon dort und von Benno fehlt jede Spur. HaPe hat schon den Aufstieg aus dem Rurtal hinter sich. Die Streckenführung sah die Klosterstraße alias „Col de Tante Lucie“ vor (Komoot, Wegepunkt 2), der für Menschen mit unmotorisierten Rädern stets eine Herausforderung darstellt(e). Ich stelle mir vor, wie er dem Berg mit seinem Edelstromer gelassen, aufrecht sitzend und mit entspanntem Lächeln, die Zähne gezogen hat. Wir begrüßen uns und Benno, der etwas später dazustößt, noch dazu. Benno hat, wie üblich, die Beschreibung unseres Treffpunkts räumlich und zeitlich etwas weiter interpretiert.
Auf den nächsten beiden Kilometern durch Wassenbergs Oberstadt gibt HaPe zu erkennen, dass er hier noch nie gewesen sei. Mein ehemaliger Nachbar wohnt aber auch erst etwas länger als zehn Jahre in Wassenberg, da kommt so etwas vor. Die letzten Straßenzüge, die wir vor Erreichen des Birgelener Waldes befahren, gehören zur Alten Feierabendsiedlung (Komoot, WP 8), wo im Jahre 1975 ein über 300 Meter tief gelegener Streb des Bergwerks Sophia Jacoba von einem Schwemmsandeinbruch heimgesucht wurde, etliche Häuser darüber absackten und teils abbruchreif beschädigt wurden. Es entstand ein ca. sechs Meter tiefer Trichter im Gelände; in der Folge wurde der Streb mit Tonnen Felsspat und Beton wieder verfüllt und damit stabilisiert.
Nicht umsonst vergleiche ich die Tour mit einem Wellenritt. Der wunderschön durch den Wald verlaufende Baronweg bringt uns mit Tempo talwärts. Er trifft unten auf die Straße Entenpfuhl und steigt über den Kugelsberger Weg wieder zur Bergstraße hin an. Links liegt eine Weihnachtsbaumplantage. Sie bringt uns ob der prächtig gewachsenen Bäumchen ins Schwärmen und in einen Austausch zum Stand der Weihnachtsvorbereitungen, als der Weg plötzlich für 400 Meter von Asphalt zu feuchtem Waldboden wechselt. Man muss wissen, dass HaPe im Vorfeld um eine matsch- und rutschfreie Tour ersucht hatte. Mit schlechtem Gewissen drossele ich das Tempo und erwarte eine umgehend verbalerzieherische Maßnahme, während Benno links an mir vorbeischießt. Sie bleibt aus. Ich atme tief durch: Ein frühes Weihnachtsgeschenk von HaPe?
Weiter geht es ein Stück die Kreisstraße entlang nach Wildenrath. Kurz hinter dem Ortseingang biegen wir rechts in die Eckartstraße ab und überqueren bald die B 221. Wenn auch das Gelände hier flach ist, macht die geschwungene Bogenbrücke unserem Tournamen alle Ehre. Wir passieren die ehemalige Engländersiedlung Petersholz (Komoot, WP 20) und fahren in einem Linksknick, wieder über eine Bogenbrücke, zurück nach Wildenrath. Längs durch den Ort gelangen wir an dessen nördliches Ende, wo reger Baubetrieb herrscht. Viele Mietshäuser werden dort umfassend saniert. In zügiger Kurvenfahrt finden wir wieder hinaus. Nun wird´s rasant. Die Arsbecker Bahn ist für Radelnde wie eine riesige Suppenschüssel. Vom oberen Rand lassen wir rollen, erreichen die vom Schaagbach gekreuzte tiefste Stelle (Komoot, WP 27) und zehren am folgenden Anstieg noch eine Weile vom Schwung der Abfahrt. Im vergangenen Sommer lagen zu beiden Seiten des Weges Massen von Fichtenstämmen, die Überbleibsel von Dürre und Borkenkäferplage. Nichts mehr ist davon zu sehen, auf den kahlgeschlagenen Flächen wächst kniehoch das Gras.
Kaum oben angekommen, geht es bald wieder runter ins Rurtal. Die Sandstraße mit ihren aufgepflasterten Bodenschwellen hat es kreisweit zu trauriger Bekanntheit gebracht. Im Juni 2020 verunglückte hier ein älterer Radler tödlich, nachdem es schon in den Vorjahren schwere Fahrradunfälle gab. Zusammen mit den Buckeln, den Licht- und Schattenwechseln auf diesem waldigen Straßenstück besteht hier bei zu schneller Fahrt erhebliche Sturzgefahr (Komoot, WP 29). Wir bringen diesen Abschnitt mit gebotenem Respekt hinter uns und radeln in weitem Rechtsbogen und weiter durch eine Lücke im Bahndamm der ehemaligen Bahnstrecke Dalheim- Jülich nach Rosental. Vorbei an den immer noch vorhandenen, großzügigen Anlagen des ehemaligen Rosentaler Bahnhofs (Komoot, WP 31) und der Deponie Rothenbach führt unsere Route durch Wald und Feld nach Effeld und Steinkirchen. Ophoven, Krafeld und Eulenbusch sind die nächsten Stationen, bevor wir wieder in Wassenberg ankommen. Als das Roßtor in Sicht kommt, fragt HaPe scheinheilig nach, ob wir darauf bestünden, dass er den „Col“ nochmals mitführe? Vielleicht schafften wir es ja auch ohne ihn. Großzügig entlassen Benno und ich ihn nach Hause, bevor wir die flache Variante (übrigens war es von Effeld aus nur noch flach) heimwärts nehmen. An der Wegscheide Erkelenz- Wegberg ein plötzlicher Vorstoß von Benno: „Gibt´s eigentlich noch Stollen?“ (Vorgeschichte: Wintertour 4) Leider muss ich ihn enttäuschen. Aber das Rezept werde ich ihm schicken.
Dieter Bonnie