Wie kommen drei Zentner aufs Rad?
Eine sehr persönliche Klimaschutzaktion
Hartmut Schiszler glänzt mit einer tollen Erfahrung und berichtet „frei Schnauze“ von seiner Wiedergeburt als regelmäßiger Fahrradfahrer.
Ich stelle mich kurz als "Verbindungsmann" des ADFC in der Stadt Heinsberg vor. Meine Radlerkarriere war von vielen Hoch's und Tief's gekennzeichnet. Jahre mit vielen zurückgelegten Kilometern wechselten sich ab mit längeren Phasen, in dem ich das Fahrrad höchstens als schmückendes Beiwerk meiner persönlichen Mobilität bezeichnen würde.
In den „guten“ Jahren fuhr ich im Sommer zur Arbeit, ca. 25 km einfache Strecke. Doch kaum auf dem Fahrrad waren meine Gedanken bei den Anstiegen am Ende der Strecke. Dann noch der regelmäßige Gegenwind auf der Heimfahrt, ojemine… Warum muss das umweltfreundliche Fortkommen so beschwerlich sein? Warum konnte ich den neunziger Jahren nach Feierabend mal eben 200 Höhenmeter zurücklegen, ganz freiwillig und jetzt quälen mich so wenige?
Beim Körpergewicht sehe ich mich vielleicht nicht als Erfinder, aber gutes Beispiel für das Jo-Jo-Prinzip. Mit jedem Jahr wurde es für mich als Schönwetterfahrer immer schwerer im Frühjahr „in Tritt“ zu kommen.
Die letzten beiden Jahre stand ich grübelnd vor meinem Fahrrad. Ich war bereits der Meinung, dass das Ende meiner Fahrradkarriere gekommen sei.
Immer häufiger sah ich Menschen mit Pedelecs gutgelaunt ihres Weges fahren. Und das waren nicht nur Radler mit „Garde“-Gewicht. Das gab mir nun doch zu denken.
Aber fahren solche Fahrräder nicht nur alte Herren? Nee, stellte ich fest, so alt sind die doch gar nicht. Die haben beim Radeln nur entspannte Gesichter!
So begann ich im Winter zu recherchieren.
Nach sehr guter Beratung durch einen lokalen Fahrradhändler fiel dann die Entscheidung zum Kauf zu schreiten, folgende Kriterien waren entscheidend:
- Zulässiges Gesamtgewicht mindestens 170 kg
- Nabenschaltung, mindestens acht Gänge
- Radlagermotor
- Möglichst großer Akku (500 Wh)
- Schwalbe Marathon plus Bereifung
- Als Zusatzausstattung kam danach noch eine Parallelogramm-Sattelstütze aus dem Internethandel dazu. Nur dort bekam ich ein Modell an mein Gewicht angepasst.
Somit schloss sich von vorneherein die Überlegung aus, eine günstige Variante des vielfältigen Angebots zu berücksichtigen. Alles in allem legte ich für das neue Rad, die neuen Satteltaschen und das Zubehör fast 3.000 Euro an.
Gründonnerstag 2017 habe ich das Fahrrad bei meinem Händler des Vertrauens entgegengenommen. Mit gebotenem Respekt machte ich mich an das Projekt „Jetzt kommen fast drei Zentner aufs Fahrrad“!
Zunächst fuhr ich mal die acht Kilometer vom Händler nach Hause - bergauf, bei Gegenwind. Das dachte ich zumindest bisher. Aber plötzlich fuhr ich wie bei Windstille auf der Ebene und das bei der Zweiten von vier Unterstützungsstufen. Ich war begeistert!
Die Tage nach Ostern waren noch kalt, immer wieder Regen. Sie werden sich erinnern, ich bin Schönwetterradler. So war mein Trainingsplan gut einzuhalten, alle zwei oder drei Tage eine Runde zu fahren. Allerdings wunderte es mich schon wie schnell, ohne Muskelkater, ich die Runden auf 50 Km ausdehnen konnte, der Unterstützung sei Dank.
Das Stadtradeln in Erkelenz war mein nächster Meilenstein, als ich ein Team bei meinem Arbeitgeber ein Team gegründet habe. Die vierzehn Tage davor, fuhr ich bereits einen über den anderen Tag mit dem Rad zur Arbeit. Aber als Kapitän will man vorbildlich sein, also jetzt jeden Tag aufs Rad. Aber, ob das geht? Es ging und es ging super: In den drei Wochen bin ich insgesamt über 900 Kilometer geradelt. Und das nach gerade zwei Monaten Radnutzung. Mein Jahresziel habe ich auf 6.000 Kilometer nach oben korrigiert.
Sie fragen sich vielleicht, warum ich das geschrieben habe. Ich möchte jedem Mut machen aufs Fahrrad zu steigen. Man muss dazu keine Gardemaße besitzen. Alles ist möglich!
Und machen Sie sich frei von dem Gedanken, ein Pedelec sei ein Senioren-Fahrrad. Selbst Mountainbiker lassen sich mittlerweile am Berg helfen. Eine Befragung von drei Fahrradhändlern durch die Heinsberger Nachrichten ergab, dass der Verkaufsanteil von Pedelecs bei ca. 80 % liegt! Nicht jeder braucht oder möchte ein Pedelec, wer aber radeln möchte und dem die Anstrengung zu hoch ist, dem kann damit perfekt geholfen werden. Mein Beispiel soll Ihnen aber auch zeigen, was damit möglich ist, ja ich möchte sagen problemlos möglich ist.
Ach ja, der Schönwetterradler: Der steht mittlerweile morgens auf, frühstückt, liest dabei die Tageszeitung und steigt dann aufs Rad. Und wenn es regnet, eben in Regenkleidung. Sie wissen es ja schon längst: Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung! Ihr Fahrradhändler hilft auch dabei gerne weiter.
Bei mir habe ich so einige positive Nebeneffekte festgestellt:
- Meine Kondition hat sich deutlich verbessert
- Ein- und Durchschlafen ist kein Problem mehr
- Mein Gewicht tendiert langsam aber stetig nach unten
- Wenn ich schlechte Laune habe, nach spätestens 20 km ist die wie weggeblasen
- Das Ideengerüst für diesen Artikel kam mir auf dem Fahrrad, da hatte ich Zeit ungestört nachzudenken
- War es bei der Arbeit stressig, nach der Heimfahrt war die Arbeit ganz weit weg
Und das Schönste: Bisher habe ich über eine halbe Tonne CO2 eingespart!
Berichten Sie gerne in Ihrem Verwandten- und Bekanntenkreis von meinen Erfahrungen. Jeder Radler entlastet die Umwelt und hilft den Verkehrs-Kollaps zu verhindern!
Allzeit gute Fahrt!